Still-Geschichten/ Interviews, Stillen
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Stillgeschichten: Interview mit einer Zwillings-Frühchen-Mama (1)

Wie am Ende des Stilldramas angekündigt, möchte ich euch auch an anderen Still-Geschichten, vor allem aber auch an anderen Ausgängen, deren Stillstart meinem ähnlich war, teilhaben lassen. 
Mein Ziel ist eine große Sammlung vieler bunter mutmachender, aufbauender und eben auch „du bist nicht alleine, wenn es unüberwindbare Schwierigkeiten gibt“-Geschichten für Frauen mit Stillproblemen und Stilltiefs.
Deshalb freut es mich auch wirklich ungemein, dass sich schon so viele für ein Interview bereit erklärt haben. 
Natürlich habe ich dann voller Enthusiasmus die ganze sowieso schon aufgeschobene Hausarbeit weiter ignoriert, ebenso die ersten dringenden Weihnachtsvorbereitungen – und deshalb kommt nun tatsächlich schon das erste Interview.

Punkt, Punk, Komma, Strich – fertig ist das Pump-Mondsgesicht. Gemeinsames Leid ist halbes Leid. Fluchen. Weinen. Und Lachen. Ohne A. hätte meine Freundin niemals ein Gesicht bekommen.

Geführt habe ich es mit meiner lieben A., Mama von zwei eineiigen Frühchen-Jungs. Ihre Geschichte hat mit meinem Stilldrama einige Parallelen, aber dennoch ist sie ganz anders verlaufen. A. ist eine unheimlich starke Frau und definitiv bei ihren Stillversuchen über sich hinausgewachsen. Trotz aller Kraft und Geduld, die sie und ihre Jungs investiert haben, hat es mit dem Vollstillen aber einfach nicht klappen wollen. A. hat sich nach drei Monaten schweren Herzens dazu entschlossen, mit dem Stillen aufzuhören.
Hier könnt ihr nun ihre Geschichte lesen:

Magst du dich und die Jungs kurz vorstellen? 

Ich bin A., kurz nach der Geburt der Muckis bin ich 30 Jahre alt geworden. Die zwei kamen per Kaiserschnitt nach Blasensprung und vorangegangenem 2-wöchigen Krankenhausaufenthalt aufgrund vorzeitiger Wehentätigkeit (die ich übrigens nie bemerkt habe) und eines verkürzten Gebärmutterhalses. Unsere eineiigen Jungs kamen in der 34. Schwangerschaftswoche zur Welt und waren somit Frühchen. Die zwei sind unsere ersten Kinder und absolute Wunschkinder.
Wie war deine Einstellung zum Thema Stillen in der Schwangerschaft? Hast du dich irgendwie darauf vorbereitet? Oder einfach alles auf dich zukommen lassen?

Erstaunlicherweise war ich mit Blick auf das Stillen vor der Geburt extrem gelassen. „Entweder es klappt, oder sie bekommen eben die Flasche – es sind immerhin zwei.“ war meine Standardantwort auf die Frage, ob ich denn vorhätte zu stillen. Und dann waren die zwei da und es stand für mich außer Frage, dass ich alles dafür tun würde, um sie stillen zu können.

Kannst du dich noch an dein allererstes Stillerlebnis erinnern?

Ja, das kann ich. Auch wenn es mehrere waren. Wenn man dazu das Abpumpen zählt, ist mein erstes „Stillerlebnis“ ziemlich nüchtern: Man stellte mir eine Doppelpumpe ans Krankenhaus-Bett und forderte mich auf, von nun an Tag und Nacht alle 4 Stunden zu pumpen. Ich konnte nach dem Kaiserschnitt aufgrund postspinaler Kopf- und Nackenschmerzen kaum meinen Kopf halten und fror nachts so unglaublich, wenn ich an der Pumpe saß. Mein erstes Stillerlebnis mit den Kleinen war auch noch im Krankenhaus und obwohl sie noch zu schwach und zu klein zum Saugen waren, war es ein unbeschreibliches Gefühl, sie so nah bei mir zu haben und ich werde nie vergessen, wie sie mit ihren großen Augen zu mir hochgeschaut haben. Als erstes „richtiges“ Stillerlebnis würde ich aber eher den Moment bezeichnen, in dem es nach vielzähligen Versuchen und einer gefühlten Ewigkeit endlich richtig geklappt hat! 

Mussten in der Anfangszeit Hilfsmittel (Pumpe, Hütchen…) eingesetzt werden? Wie hast du dich damit gefühlt?

Ja, leider so ziemlich die komplette Palette von der Pumpe, über Stillhütchen und alle möglichen Mittelchen zur Steigerung der Milchmenge. Gefühlt habe ich mich dabei meist nicht so gut. Einerseits habe ich viel Hoffnung in diese Hilfsmittel gesetzt und war in gewisser Weise auch dankbar, dass es diese Möglichkeiten gab, aber es kam mir alles überhaupt nicht natürlich vor und ich hatte das Gefühl, es ständen viel zu viele Hilfsmittel zwischen mir und meinen Kindern. Unser Anfang war ohnehin so fremdbestimmt – nun wollte ich endlich allein für meine Kinder sorgen können.

Was hat dir Probleme bereitet? Wie konnten diese gelöst werden?

Wir hatten leider wirklich keine gute Ausgangssituation fürs Stillen. Frühgeburt, Kaiserschnitt, gleich zwei Babys satt zu bekommen… vom Krankenhaus gab es überhaupt keine Hilfe – im Gegenteil muss ich im Nachhinein sagen, dass dort der Anfang so ziemlich verkorkst wurde. Zum Glück hat mich meine wunderbare Hebamme schon im Krankenhaus besucht und mir Tipps gegeben.

Wie hast du deine anfängliche babyfreie Still-Zeit erlebt?

Die Zeit war anders als alles zuvor erlebte. Einerseits war da die Freude über zwei gesunde Babys, die so unglaublich perfekt waren und sind – andererseits die mühsamen Tage mit dem Pendeln zum Krankenhaus, stundenlang auf einem Klappstuhl an ihrem Bettchen sitzend.. Ich habe mich wie eine „Teilzeit-Mama“ gefühlt und hätte mir nichts mehr gewünscht als gemeinsam mit meinem Mann und meinen Kindern zuhause unser Familienleben zu entdecken. Das Wochenbett fällt als Frühchen-Mama komplett aus. Wenn ich nicht in der Klinik war, fühlte ich mich am falschen Platz. Nachts vom Wecker zum Pumpen geweckt zu werden, anstatt von meinen Kindern, fühlte sich ebenfalls nicht richtig an. Auf der anderen Seite war ich dankbar für die Unterstützung, die wir erhielten und so froh, als wir die zwei endlich mit nach Hause nehmen konnten.

Gab es Komplikationen? Was hast du dagegen unternommen?

Von einem echten Milchstau bin ich zum Glück verschont geblieben. Ein, zwei Mal hatte ich das Gefühl, kurz davor zu stehen, wobei ich mich immer gefragt habe, wie es bei den Problemen, die ich hatte, um überhaupt Milch zu haben, dazu kommen könnte..

Was hast du unternommen, um deine Milchmenge zu steigern? Hatte etwas Erfolg?

Ich hab das Gefühl, so ziemlich alles probiert zu haben. Vom Intervallpumpen und häufigen Anlegen, über Brustmassage, bis hin zu diversen Mittelchen wie Bockshornkleesamenkapseln, Stilltees, malzhaltige Getränke (viel trinken insgesamt), Piu Latte, Bilder von den Kleinen an die Pumpe stellen (als sie noch im Krankenhaus waren), Musik hören, … nichts davon hatte so wirklich Erfolg. Die einzigen Male, an denen die Milchmenge tatsächlich kurzzeitig gesteigert wurde, waren die, an denen ich kurz vorm Aufgeben stand… Meiner Hebamme zufolge hängen Tränenfluss und Milchfluss zusammen – das kann ich bestätigen.

Wann hat sich eine Routine eingestellt? Wie sah diese aus?

Eine gewisse Routine hat sich eingestellt, in dem ich aufgehört habe zu pumpen. Die Empfehlung der Laktationsberaterin ging in genau die entgegengesetzte Richtung – achtmal am Tag sollte ich mindestens zusätzlich zum Anlegen pumpen. Das war mir zu viel, denn diese wertvolle Zeit wollte ich lieber mit meiner kleinen Familie verbringen und den Sommer genießen. Das haben wir zum Glück auch gemacht. Routine war demnach, die Kleinen wann immer möglich anzulegen und ihnen wenn nötig – also meistens – danach ein Fläschchen mit Fertigmilch zu geben. Wohlfühlstillen hab ich es genannt, denn wir haben es sehr genossen, als ich mich endlich vom Druck befreien konnte, die Kinder auf diese Weise hauptsächlich zu ernähren.

Wann und warum hast du den Schlussstrich gezogen? 
An ihrem 3. Monatsgeburtstag habe ich beide Kinder ein letztes Mal ganz bewusst angelegt, nachdem ich in der vorangegangenen Woche gar nicht gestillt hatte. Ich hatte Medikamente nehmen müssen und wollte kein Risiko eingehen. Der Umstand, dass ich überhaupt nicht abstillen musste, zeigt mir, dass alles, was die Kinder in den ersten drei Monaten an Muttermilch bekommen haben (zu Beginn jede zweite Mahlzeit, später weniger), hart erarbeitet werden musste und nie zu einem Automatismus geworden ist. Ich bin dennoch sehr froh, ihnen diesen Start ermöglicht zu haben und kann für mich nach dem schwierigen Start, den wir durch die Frühchenstation zunächst hatten, klar sagen, dass das Stillen einen großen Teil zum Mama-Werden beigetragen hat.

Bereust du deine Entscheidung, vorzeitig abgestillt zu haben? 

Ich bereue die Entscheidung nicht, aber sie macht mich immer noch ein wenig wehmütig. Ich hätte uns eine andere Still-Geschichte gewünscht. Eine, die natürlicher und weniger von Hilfsmitteln geprägt gewesen wäre, aber das hier ist unsere Geschichte und ich möchte sie unter keinen Umständen missen. Ich bin stolz auf die drei Monate, in denen ich nicht aufgegeben habe, und bin überzeugt, dass wir alle drei sehr davon profitiert haben. Zugleich kam mit der Entscheidung, nicht mehr zu stillen, auch mehr Flexibilität in unseren Alltag. Wir sind nun viel mehr unterwegs und es macht wieder viel mehr Spaß zu kochen  – wenn man denn dazu kommt. 😉 Ich sehe, wie unsere zwei Jungs auch ohne Muttermilch nun wachsen und gedeihen. Sie entwickeln sich jeden Tag weiter und das ist wunderschön! Ich freue mich darauf, sie auf ihrem Weg zu begleiten und bald andere Geschmacksrichtungen mit der Beikost entdecken zu lassen. Die gemeinsame Stillzeit kann uns niemand mehr nehmen – jetzt schauen wir nach vorn: Ich bin gespannt auf alles, was kommt! 

Könntest du die erste Zeit nochmal erleben, würdest du bezogen auf das Stillen etwas anders machen?

Ja, ich würde Dinge früher einfordern und zwar schon im Krankenhaus: Die Babys von Anfang an anzulegen (dem Rhythmus der Versorgungsrunden zum Trotz), Känguruhing auf nackter Haut zu praktizieren, mehr auf mein Gefühl und weniger auf „allgemein gültige“ Still-Tipps zu hören. Stillen ist eine unheimlich individuelle Angelegenheit  – noch dazu, wenn es sich um frühgeborene Zwillinge handelt. Niemand kann wirklich nachvollziehen, was das bedeutet, der es nicht selbst erlebt hat.

Was möchtest du werdenden (Zwillings-)Müttern mit auf den Weg geben?

Lasst euch nicht entmutigen, wenn es nicht sofort klappt. Anders als oft suggeriert funktioniert das Stillen nicht immer gleich einwandfrei und automatisch. Ihr müsst euch erst kennenlernen und auch das Stillen will gelernt sein. Vertraut euch selbst und traut euch, von „traditionellen“ Still-Tipps abzuweichen. Ihr kommt mit dem Stillkissen nicht zurecht? Dann lasst es weg. Ihr habt das Gefühl, Pumpen schadet dem Milchfluss mehr als ihn anzuregen? Dann probiert es ohne die Pumpe aus. Und zu guter Letzt: Redet darüber – im wahren Leben oder auch im Internet. Ihr werdet erstaunt sein, wie viele „Leidensgenossinnen“ es gibt!!

Dein ultimativer Still-Tipp?

Einen Still-Buddy finden, der in derselben Situation ist – mit dem du dich austauschen und gemeinsam fluchen, weinen und Erfolge feiern kannst! Das hat mir unglaublich geholfen, wenn ich mal wieder drauf und dran war, aufzugeben. An dieser Stelle DANKE dafür! 


Ein großes Dankeschön, liebe A., für das Beantworten der Fragen!


Ps.: Möchtest auch DU deine Still-Geschichte – egal ob kurz, lang, einfach oder schwer (jede Geschichte ist etwas besonderes und erzählenswert!)  – auch hier teilen, dann kontaktiere mich einfach per E-Mail oder Instagram-Direktnachricht.


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