Still-Geschichten/ Interviews, Stillen
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Stillgeschichten: Interview über ein unerwartetes Bilderbuch-Erlebnis

Heute gibt es zur Abwechslung mal eine weitestgehend schöne, komplikationsarme Stillgeschichte. Endlich! Nämlich die Geschichte von J. (30 J.) und ihrem August-Baby. Dafür hatte J. keine ganz einfache Schwangerschaft und sich nicht zuletzt deshalb im Vorfeld ums Stillen einige Sorgen gemacht… und weil das Thema bislang in ihrer Familie nie unter einem guten Stern stand.
Aber – das lernte sie – es kann eben auch anders kommen, als man so denkt. Eine positive Überraschung! Ihre Quintessenz: Nicht beirren lassen. Kann ich so unterschreiben!


Erzähle doch kurz von deiner Schwangerschaft!
Eigentlich war die Schwangerschaft mit unserem Wunsch-Baby total schön. Aber sie war auch irre anstrengend. Körperlich und emotional. In der 7. Schwangerschaftswoche hatte ich einen Autounfall. Damit musste ich Weihnachten im Krankenhaus verbringen. Bis ins 3. Trimester musste meine Hüftfehlstellung behandelt werden. Wegen den Schmerzen in Rücken und Hüfte habe ich ab der 24. Woche fast nur gelegen. Ewig sind mir Rückenwirbel herausgesprungen und wegen dem Baby konnten sie nicht wieder eingerenkt werden. Das bedeutete Seelenstress und Angst für mich. Dafür hatte ich aber viel Zeit, dieses Blog zu lesen. 😉 [Anmerkung: Juchu, das freut mich! Abgesehen von den Umständen…]
In den letzten Schwangerschaftswochen musste ich für eine spontane Geburt nahezu „kämpfen“, hatte dann aber eine kurze und sehr schöne selbstbestimmte Geburt (ich mag es übrigens, dass du spontan statt natürlich oder normal verwendest, das wertet den Kaiserschnitt so ab. Ich war selbst ein Kaiserschnitt und hab oft das Gefühl dass das als nicht-richtige-geburt gilt. Gleichzeitig wäre ich ohne Kaiserschnitt gestorben. Eine schöne, richtige Geburt definiert sich meiner Meinung nach also nicht danach, welchen Ausgang das Baby nimmt, sondern am Drumherum, dem respektvollen Umgang mit der Mutter usw…).
Mein Baby wurde in der berechneten 41. Woche geboren, danach aber 2-3 Wochen vordatiert. Während meine Ärztin immer von einem frühen Datum und einem schweren Baby ausging, war es am Ende ganz anders und ich gebar ein Leichtgewicht mit 2650 g auf 52 cm.
Wie war deine Einstellung zum Thema Stillen in der Schwangerschaft?
Hast du dich irgendwie darauf vorbereitet? 

Erfahrungen habe ich gar keine gehabt. Weder bei mir selbst, da ich keine anderen Kinder habe, noch im direkten Umfeld. Meine Tanten haben beide nicht stillen wollen und meine Großmutter hat es im wirtschaftlichen Aufschwung ziemlich schnell mit der neuen Pulvermilch versucht und ist dabei geblieben. Meine Mutter konnte nicht stillen (sie hat mich tatsächlich nach dem Kaiserschnitt 4 Wochen lang jedes mal angelegt, um doch noch einen Milcheinschuss zu haben, das hat sie mir erst vor kurzem erzählt. Und mit meiner jetzigen Babyerfahrung muss ich sagen: Hut ab!)
Für mich war es also „normaler“, einem Baby die Flasche zu geben, als die Brust. Natürlich hatte ich Freundinnen, die stillten, dennoch hat meine Biografie mich irgendwie geprägt. Dennoch war mir tief in meinem Inneren klar, dass ich mein Kind mal stillen wollte, wenn es denn klappen würde. Davor hatte ich riesigen Respekt. Sogar Angst. 
Ich wollte es also unbedingt versuchen und hatte auch vor, mein Baby so lang wie möglich mit Muttermilch zu versorgen. Ich habe schon vor der Schwangerschaft – während des Kinderwunsches – immer mal was darüber gelesen aber keine direkte Vorbereitung betrieben. Gleichzeitig hatte ich aber tief in mir Angst, dass es nicht klappt, da in meiner Familie seit 3 Generationen nicht gestillt wurde. Durch meine Hebamme war ich dann aber gegen Ende der Schwangerschaft sehr selbstbewusst und ließ es auf mich zu kommen. 


Kannst du dich noch an dein allererstes Stillerlebnis erinnern? 
Ich habe nach der Geburt mein Baby zu mir hochgenommen und angesprochen, es hat laut und empört geschrien, sich aber schnell beruhigt und – so weit es die Nabelschnur zu ließ – in meinem Arm gelegen. Ab da war ich im Oxytocinrausch und kann mich nur noch wage erinnern. Mein Freund sagt, ich sei mit der Geburt zur Löwenmutter mutiert und habe sofort mit dem Baby eine Einheit gebildet, die noch immer anhält. Ich habe es dann aber sehr bald angelegt, bin dann aufs Kreissaalbett umgezogen und habe dort weiter gemacht, bis ich nach dem Nähen duschen ging. (Da musste ich das Baby dann doch mal dem Papa geben) Danach wurden wir aufs Zimmer gefahren und mein Kleines fing mit Clusterstillen an und tat dies bis zum nächsten Tag (und Milcheinschuss).


Mussten in der Anfangszeit Hilfsmittel (Pumpe, Hütchen…) eingesetzt werden?
Ich habe in einem Krankenhaus entbunden, was sehr viel Wert auf den Stillstart legt und daher erstmal keine Hilfsmittel rausgibt. Vorher dachte ich immer, dass ich sicher Hütchen brauchen würde, aber mein Baby und meine Körper haben sich schnell arrangiert. Trotz kurzem Zungenbändchen. Dennoch war die erste Zeit anstrengend und entblößend. Gefühlt jedes Anlegen wurde von einer Schwester begleitet, was manchmal half, aber oft verunsicherte. Das kurze Zungenbändchen und das geringe Startgewichte, gepaart mit Gelbsucht sorgten dann auch noch dafür, dass das Baby nicht so ein guter Trinker war. Meine Brüste aber hatten schon produziert für ein nicht vorhandenes zweites Baby. Also anlegen, Baby wachhalten, ausstreichen, kühlen und das ganze wieder von vorne.


Was hat dir Probleme bereitet? Wie konnten diese gelöst werden?

Ich hatte – ganz entgegen meiner Ängste – sehr früh sehr viel Milch. Das war gut, da das Baby so schon an Tag 4 sein Geburtsgewicht hatte, aber der Weg bis dahin war nicht so gut: Milchstau um Milchstau und große, pralle, schmerzende Brüste, die mich kaum schlafen ließen…
Der erste Milchstau war bereits am Anfang, in den ersten Tagen nach der Geburt, dann nach 4 Wochen, als ich erfuhr, dass mein Opa versorgen sei (kurz darauf, nach einem Wachstumsschub, sah mein Baby kurzzeitig aus wie er) und jetzt noch einmal, kurz bevor wir den dritten Monatsgeburtstag feierten. Ich bin da irgendwie sehr sensibel. Helfen tut im Ernstfall nur Kühlen. Im Sommer auch mit Quarkwickeln, jetzt dann aus Schmiergründen mit Coolpads im Still-BH. Wirkt fast so gut, lässt sich aber von ‚ner Mami auch ohne Hilfe anwenden und sifft nicht so.

Wann hat sich eine Routine eingestellt? Wie sah diese aus?
Wenn mit Routine ein fester Still-Rhythmus gemeint ist, dann sind wir noch weit davon entfernt. Je nach Laune und Gesundheitszustand stillt mein Baby stündlich bis vierstündlich. Nachts macht es zur Zeit auch mal eine Pause von sechs Stunden. Das ist für mich aber okay so, ich möchte es, so lang es noch geht, ermutigen, auf sein (Hunger)Gefühl zu hören.

Wie lange hast du vor zu stillen?
Ich möchte es tun, so lange es noch geht. Gerne auch das ganze erste Jahr.

Könntest du die erste Zeit nochmal erleben, würdest du bezogen auf das Stillen etwas anders machen?
Nein. 


Was möchtest du werdenden Müttern mit auf den Weg geben? Hast du einen ultimativen Still-Tipp?
Nicht beirren lassen. Nicht reinreden lassen. Auch nur bedingt von Hebammen und Krankenschwestern. Die sehen dich und das/die Baby(s) auch nur von außen. Auf dein Gefühl hören. Deine Grenzen wahrnehmen und schützen. Auch und vor allem vor Besuch. Du hast soeben eine kleine Familie erschaffen. Die ist jetzt wichtig und sonst nichts. Besuch kann auch später kommen, jetzt solltest du erstmal ankommen, kuscheln und dich schonen. Egal wie deine Entbindung war: dein Körper braucht jetzt viel von allem. Außer Stress. Stille, wenn du das möchtest. Gib die Flasche, wenn das für dich gut ist. Dann ist es das auch für den Nachwuchs. Egal ob Brust oder Flasche: du bist die Mama und damit eh der wichtigste Mensch im Leben des/der Minis. Wenn es dir gut geht, dann ist das mehr als die halbe Miete. 


Vielen Dank, liebe J., fürs Teilen deiner Still-Erfahrungen! Und dir und deiner Familie wünsche ich von Herzen ein schönes Weihnachtsfest – in diesem Jahr ohne Krankenhaus und bei guter Gesundheit!

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Es ist doch richtig schön zu lesen, dass sich Ängste nicht bewahrheiten. Wer weiß, ob nicht dadurch sogar die Milchmenge beeinflusst wurde?! Und dass abgesehen von den Milch-Stauerfahrungen alles glatt lief…


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