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Zwillinge & Frühchen erfolgreich Stillen – Erfahrungsbericht

Während ich hoffentlich gerade mein Wochenbett mit unkompliziertem „Einlings“-Stillstart genieße, möchte ich euch gerne mit weiteren Stillgeschichten versorgen, damit es hier nicht ganz so still ist. Die gab es ja schon lange nicht mehr. Und Applaus bitte für das grandiose Wortspiel.
Netterweise bereit erklärt hat sich Inga, ihre Still-Odyssee mit ihren sehr früh geborenen Zwillingen auf Milch & Mehr zu teilen. Fast wären ihre Mädels sogar in die Kategorie Extremfrühchen hereingerutscht – und trotzdem hat sich Inga 6 Monate durchgebissen. Das ist eine verdammt coole Leistung! Mittlerweile gehen die Kinder in die Schule und sie ist quasi eine Koryphäe unter den Mehrlings-Stillmamas: AFS-Stillberaterin mit beratendem Schwerpunkt von Zwillingseltern, Mitarbeiterin eines Berliner Schwangerschafts-Concierge-Services und sogar Co-Autorin eines Buches über Mehrlingsstillen. Leider ist es erst letztes Jahr im Herbst auf den Markt gekommen, sonst würde es garantiert längst in meinem Bücherregal stehen!
Übrigens ist ersteres und letzteres, also Stillberatungs-Ausbildung und Buch/ eBook, auch noch auf meiner Bucket-List. 😉 Aber falls ich weiter im ungeplanten Chaos versumpfe und es nicht hinkriege, finde ich es sehr beruhigend zu wissen, dass es so tolle Frauen gibt, denen das Thema „Frühchen-/ Mehrlingsstillen“ auch eine absolute Herzensangelegenheit ist.
Nun übergebe ich aber erst einmal das Wort an die liebe Inga…

©Inga Sarrazin, www.maternita.de-2

©Inga Sarrazin

Von der Frühchenmama zur Stillberaterin

Ich bin Inga, 41 Jahre alt und Mama von 6-jährigen Zwillingen, die gerade eingeschult werden. Die Zwillingsdamen wurden in der 28. Schwangerschaftswoche per Notkaiserschnitt entbunden, sind also sehr kleine Frühchen mit 900 und 1100 g Geburtsgewicht. Es sind meinen ersten Kinder, daher gab es vorab keine Stillerfahrung.
Aufgrund meiner Erfahrungen haben ich mich als Stillberaterin bei der Arbeitsgemeinschaft freie Stillgruppen (AFS) ausbilden lassen und biete seit 2014 ehrenamtliche Stillberatung mit dem Fokus Zwillinge an. Daraus und aufgrund meiner Tätigkeit bei maternita (organisatorische Hilfe in Schwangerschaft und Zeit mit Baby) hat sich zudem entwickelt, dass ich als Co-Autorin, gemeinsam mit Gisela Otto, das Buch „So kannst Du Deine Zwillinge und Drillinge stillen“* geschrieben habe, welches seit Oktober 2017 auf dem Markt ist.

Für mich war von Beginn an selbstverständlich, dass ich die Zwillinge stillen wollte. Ich bin hier sehr unbedarft herangegangen und habe mich gar nicht vorbereitet. Ich bin davon ausgegangen, dass ich durch meine Hebamme bzw. in einem Geburtsvorbereitungskurs mehr über das Stillen erfahren werde, leider wurde durch meine Einweisung ins Krankenhaus in der 19. SSW dieser Wunsch nicht wahr. Ich lag auf Grund eines verkürzten Gebärmutterhalses ab diesem Moment bis zur Geburt der Zwillinge in der 28. Schwangerschaftswoche im Krankenhaus. Die Sorgen um die ungeborenen Babys gaben mir nicht die Möglichkeit mich mit dem Stillen vorab mehr auseinanderzusetzen, schon gar nicht mit dem Stillen von Frühchen-Zwillingen.

Stillstart auf der Frühchenstation

Wenn ich mich an mein erstes Stillerlebnis zurückerinnere, kommen mir als erstes die Pumpversuche in den Sinn. Ein einschlägiges Erlebnis. Da die beiden Babys im Brutkasten lagen, war der erste Stillversuch erst nach einigen Wochen. Bis zu diesem Zeitpunkt pumpte ich ab und die beiden bekamen die Muttermilch über eine Magensonde bzw. als sie etwas reifer waren mittels Flasche. Als sie sich soweit stabilisiert hatten, dass eine zusätzliche Beatmung nicht mehr notwendig war, haben wir den ersten Stillversuch unternommen. Interessanterweise gleich im Doppelpack und parallel, was für mich eine große Herausforderung war. Ich war so unsicher, wie ich die beiden halten und platzieren sollte, trotz Unterstützung einer Kinderkrankenschwester.
Das erste Andocken war ein unglaubliches Gefühl, ein Kribbeln und so zart und vorsichtig und dann plötzlich auch leicht stechend. Denn ein Zwilling saugte plötzlich sehr stark, die andere ganz im Gegenteil nuckelte nur an der Brust herum. Ich war glücklich über diesen Moment. Die vorgeschriebene Stillprobe aber war dann doch sehr enttäuschend. Ich habe noch einige Mal versucht, die beiden parallel zu stillen, doch sehr schnell festgestellt, dass dies zu diesem Zeitpunkt nicht möglich war, da beide so verschiedene Trinker waren. Daher habe ich mich entschieden sie nacheinander zu stillen, um so die volle Konzentration für das jeweilige Baby zu haben.

Milchpumpe statt kuscheligem Wochenbett

Wie gerade angedeutet, musste ich zu Beginn abpumpen. Zum einen, um die Milchbildung in Gang zu bringen, zum anderen da die Zwillinge noch nicht an der Brust gestillt werden konnten. Da die Zwillinge mittels eines Kaiserschnitts entbunden wurden und nicht bei mir waren, legten mir die Schwestern bereits nach wenigen Stunden ans Herz abzupumpen. Sie führten mich in ein Pumpzimmer, gaben mir eine elektrische Pumpe mit Doppelpumpset, erklärten mir kurz die Funktionsweise und empfahlen mir Abstände für die Pumpvorgänge. Das erste Pumpen war schrecklich. Ich fühlte mich wie eine Kuh, empfand das Gefühl als sehr unangenehm, fast schmerzhaft und dazu kam kein Tropfen über mehrere Tage. Es war so demotivierend, vor allem weil im selben Zimmer Mütter saßen, die gefühlt literweise Milch pumpten. Ich machte fleißig weiter, immer länger (statt öfter und kürzer) und nach drei Tagen, dachte ich meine Brüste platzen…doch weiterhin kam kein Tropfen. Ich sprach mit den Schwestern und sie zeigten mir wie man die Brust vorab wärmt, im Anschluss mit Weißkohlblättern kühlt. Dies führte zu wenigen Tropfen Muttermilch. Am fünften Tag dann kam eine Hebamme mit Akupunkturerfahrung und punktierte mich. Daraufhin war kein Halten mehr und die Milch floss. Welche Erleichterung! Ab diesem Zeitpunkt habe ich bis Ende meiner Stillzeit abgepumpt, um die Zwillinge voll oder teilweise mit Muttermilch zu versorgen.

©Inga Sarrazin, www.maternita.de

©Inga Sarrazin

Auch mit Stillhütchen habe ich Bekanntschaft machen dürfen. Da die Mädels so früh geboren wurden, waren sie sehr saugschwach. Daher wurde mir bei den ersten Stillversuchen gleich Stillhütchen angeboten. Tatsächlich tranken die Kinder deutlich besser, das Handling mit zwei Babys fand ich jedoch echt anstrengend. Die Stillhütchen rutschten oft während des Stillens ab, mussten neu justiert werden, aber es half.

Reicht die Milchmenge bei Mehrlingen?

Tatsächlich war das größte Problem die Milchmenge. Zu Beginn war diese ausreichend, doch mit ca. 2 Monaten reichte sie nicht mehr. Leider war mir zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt, dass das Stillen nach Bedarf und häufiges Anlegen bzw. abpumpen, also die Optimierung des Stillmanagements, vielleicht hätten helfen können. Meine Hebamme war leider nicht mehr wirklich verfügbar und ich hatte niemanden, der mir in den Fragen rund um das Stillen zur Seite stand. Mir wurden dann Bockshornkleesamen empfohlen und ich trank diverse Tees, im Glauben dies würde helfen. Als sich die Milchmenge weiterhin nicht steigern bzw. dem Bedarf anpassen lies, haben wir beschlossen mit Formulanahrung zuzufüttern, da die Kinder den Wechsel zwischen Brust und Flasche von Beginn an gewohnt waren und damit keine Probleme hatten. So habe ich bis zum Ende der Stillzeit abgepumpt und gestillt und Formula gegeben, wenn es benötigt wurde.

Still-Routine mit Zwillingen

Durch die Abläufe im Krankenhaus hatten wir bereits viel Routine und haben diese mit nach Hause genommen. Dies bedeutet leider auch, dass ich alle 3 Stunden gepumpt oder gestillt – und nicht nach Bedarf gestillt habe. Dies wurde mir damals von niemanden vermittelt, sondern mit Hinblick auf Zwillinge immer gesagt „Das überlebst du nicht, wenn du keinen Rhythmus hast“. Heute als Stillberaterin weiß ich es besser und bin traurig, dieses Wissen nicht vorab gehabt zu haben.
Allerdings sind wir mit dem Rhythmus gut klar gekommen, so dass es für uns in Ordnung war. Rückblickend hätte ich es sicher anders gemacht, doch mit damaligem Wissensstand war es gut so wie es war.

Ich hatte mich nach den ersten Stillversuchen entschieden die Kinder nicht gleichzeitig, sondern nacheinander zu stillen. So habe ich ein Kind gestillt und das andere lag entweder direkt neben uns oder mein Mann hat es parallel gefüttert. Da wir schnell gemerkt haben, dass wir beide wenigstens einige Stunden Schlaf brauchten, haben wir nachts in Schichten gefüttert. Ich habe eine Schicht beide Kinder gefüttert/gestillt und mein Mann geschlafen und die folgende Schicht genau anders herum. So konnten wir die ersten Monaten sehr gut Kraft schöpfen.

Milchstau & Abstillen

Tatsächlich war der erste Milchstau nach 6 Monaten auch der Moment an dem ich mich entschied abzustillen. Er war sehr schmerzhaft und ich hatte keine Energie mehr, mehr zu tun als zu kühlen und zu massieren. Als er sich nur langsam löste, nahm ich dies als Anlass den Kindern nur noch per Flasche Formula zu geben.
Wir haben zu diesem Zeitpunkt die Beikost eingeführt und ich war mit meinen Kräften durch die Monate Stillen und Pumpen am Ende. Für mich war zu diesem Zeitpunkt wichtig, dass wir es bis dahin geschafft hatten ihnen Muttermilch zu geben, so viel eben da war und ich habe mich dann entschieden ihnen nur noch Formula zur Beikost zu geben. Die Kinder sind damit sehr gut umgegangen, denn das viele Kuscheln haben wir natürlich bis heute sehr intensiv beibehalten.

Still-Wissen hilft!

Wenn ich bezogen auf das Stillen rückblickend etwas anders machen würde wäre es, mich auf jeden Fall deutlich besser zu informieren. Zum einen schon in der Schwangerschaft, zum anderen auch in der Stillzeit eine Stillberaterin hinzuziehen. Ich hätte gerne jemanden gehabt, der mit mir über das Stillmanagement gesprochen und mir Hilfestellungen gegeben hätte im Hinblick auf die Milchsteigerung. Meine eine Tochter hat auch immer sehr schlecht an der Brust getrunken, daher wäre auch hier eine Hilfe gut gewesen. Die Eigenrecherchen helfen in solchen Situationen doch wenig und ich bin mir mit meinem heutigen Wissensstand sicher, dass ich sie gut an die Brust bekommen hätte mit mehr Wissen. Ansonsten haben wir vieles sehr intuitiv gemacht, was ich immer wieder so angehen würde.

Stilltipps für werdende Mehrlingsmamas

Informiere dich, hole dir Hilfe, recherchiere schon in der Schwangerschaft über Stillberaterinnen in der Nähe bzw. sprich mit deiner Hebamme über das Stillen und kläre in wie weit sie dich hier gut unterstützen kann. Suche dir ein Netzwerk, besuche eine Stillgruppe, um eine Idee zu bekommen, was auf dich zukommen kann. Schwöre dein Umfeld auf das Stillen ein, denn Unterstützung macht es so viel leichter.

Mein ultimativer Tipp? Vertraue deinem Körper und deinen Kindern, gib euch Zeit und suche deinen Weg, der zu euer Situation passt. Ob Stillen oder/und Flasche…du gibst und machst was DU kannst. Und ich sage immer in meinen Beratungen: Deine Kinder brauchen eine gesunde und zufriedene Mama, daher geht es aus meiner Sicht nicht nur um den Bedarf der Kinder, sondern auch um den Bedarf der Mutter, was leider all zu oft vergessen wird!

Zwillinge erfolgreich stillen Beratung

 

Aus dem Alltag einer ehrenamtlichen AFS-Beraterin

Seit 4 Jahren bin ich ehrenamtliche Stillberaterin und es ist eine Arbeit, die sehr befriedigt, aber auch emotional sehr anstrengend sein kann. Es öffnet den Blick für verschiedene Lebenssituationen und Herausforderungen und es schlägt einem so viel Dankbarkeit entgegen. Ich bin meistens einfach jemand, der dir zuhört, dich ermutigt, dich bestärkt, ein offenes Ohr hat. Ich berate bevorzugt Mehrlingseltern, da es hier noch weniger Anlaufstellen gibt und ich denke, dass meine persönlichen Erfahrungen helfen, Verständnis für die Zwillings- und Drillingseltern zu haben und undogmatisch an das Thema Babyernährung heranzugehen. Es gilt den Weg für sie zu finden, der für sie passt und einen guten Start ermöglicht.

Ich hatte das Glück bereits drei Drillingseltern begleiten zu dürfen. Ich habe so einen großen Respekt vor diesen Eltern und interessanterweise sind diese besonders entspannt. Sie wissen, dass sie ihr bestes geben und nicht in jedem Moment allen Kindern im gleichen Maße gerecht werden können. Unglaubliche Erlebnisse, die ich ohne meine Zwillinge und die Entscheidung Stillberaterin zu werden nicht gehabt hätte.

Über maternita

Hauptberuflich arbeite ich mittlerweile für maternita. Hinter maternita steckt die Idee werdenden Familien bei organisatorischen Fragen rund um die Schwangerschaft und Zeit mit Baby zur Seite zu stehen: Sie zu informieren, zu entlasten und soweit wie möglich zu unterstützen. Unserer Meinung nach kann man nur selbstbestimmte Entscheidungen treffen, wenn man seine Möglichkeiten kennt. Wir gehen neutral mit allen Fragen um, unabhängig davon ob es um einen Wunschkaiserschnitt oder die Hausgeburt geht, Stillen oder Flasche, usw. In Zeiten bei denen so viel bewertet und ungefragt kommentiert wird, finden wir wichtig, dass es einen Ansprechpartner gibt, der die Hilfe und Informationen gibt, die die jeweilige Familie benötigt. Nicht mehr und nicht weniger. Dies ist eine privat zu zahlende Dienstleistung in Ergänzung zu der Betreuung durch eine Hebamme bzw. einem Gynäkologen.

Für Mehrlingsfamilien biete ich sowohl Einzelberatungen, als auch Workshops zu Erstausstattung, Unterstützungsmöglichkeiten, Tipps und Tricks für das Leben mit Zwillingen oder Drillingen, finanziellen Hilfen, Ernährung von Babys an. Sehr glücklich bin ich darüber, dass ich seit letztem Jahr gemeinsam mit einer Hebamme, Jana vom Hebammenblog.de, in Berlin einen speziellen Geburtsvorbereitungskurs ausschließlich für werdende Zwillingseltern anbieten kann. Dies kommt sehr gut an und ich hoffe, dass es in Deutschland bald mehr solcher Angebote geben wird.


Liebe Inga,
vielen Dank für die Zeit, die du dir dafür genommen hast, deine Geschichte zu teilen und einen kleinen Einblick in deine Tätigkeiten gegeben hast, die mit dem Stillen und der Betreuung von Mehrlingsfamilien zu tun haben.
Ich kann sehr viel von dem, was du berichtest komplett nachvollziehen und unterschreiben. Das Gefühl, die Milchkuh zu sein …die Einsamkeit in der Krisensituation und die vielen Fragezeichen. Ich sage es immer wieder: Wissen hilft! Natürliche Angelegenheit hin oder her…
Du hast dir das Thema zur Berufung gemacht und das freut mich sehr! So kannst du hoffentlich noch vielen Familien dabei helfen, ihren selbstbestimmten Weg zu finden. Weiterhin viel Erfolg dabei!

Milch & Mehr Mamablog Signatur

 

Ps.: Wenn auch DU deine Stillgeschichte auf Milch & Mehr teilen möchtest und deine Erfahrungen anderen Mamas und Papas zu Verfügung stellen möchtest, dann schreibe mir eine E-Mail an mail (at) milchundmehr.de .

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