Familie, Tagebuch
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2 Monate Mama-Glück

Alle Mamas betonen ja immer gerne: wenn sie erstmal da sind, rast die Zeit. Endlich weiß ich was sie damit eigentlich meinen. Das Zeitgefühl ist mir generell abhandengekommen. Ich lebe immer noch im Juli, obwohl auch der August schon vorbei ist. Wochentage werden generell überbewertet und die Uhrzeit sowieso von den zwei kleinen Früchtchen angesagt. Die unterscheiden zwischen Hunger Uhr (überwiegt), Müde Uhr und Langeweile Uhr.
Es gibt Tage, da bin ich am Limit, manchmal darüber hinaus. Mit Tränen und allem Drum und Dran. Es fehlen Nerven, Kraft und Arme. Trotzdem – so und nicht anders! Auch wenn der 24-Stunden Dienst in der Notaufnahme teilweise Zuckerschlecken im Gegensatz zu meinem jetzigen Alltag war, möchte ich gegen nichts auf der Welt tauschen.
Heute wird also mal wieder der Alltag dokumentiert. Damit ich mich später noch dran erinnern kann, wie es mal war. Damit die Früchtchen erfahren, wie es mal war. Mir wurde nämlich gesagt, dass die harte Anfangszeit ziemlich schnell verblasst.
 
Momentan effektivste Doppel-Einschlafbegleitung, zum ersten Mal mit tollen Kinderwagenketten. Die habe ich nämlich aus dem Briefkasten gefischt, bevor es losging.
Ich werde um 2.30 Uhr wach ohne dass sich im Bett nebenan etwas rührt. Was ist bitte mit mir kaputt? Schnell merke ich den Grund. Die Milchbar ist voll. Meine Kinder haben seit viereinhalb bzw. dreieinhalb Stunden geschlafen! Wow! Gepuckt und begleitet von sanften (aber nervtötenden) Geräuschen eines monotonen Bachlaufs aus der Handy-App.

Ich könnte sie jetzt weiterschlafen lassen und zur Melkstation tingeln. Aber ich entscheide mich in weiser Voraussicht eine Rabenmutter zu sein und wecke erst das eine, später das andere Kind. So unglücklich über die kurze Schlafunterbrechung sind beide nicht. Nur der Papa grummelt etwas, weil er wickeln gehen muss. Da ich den Bachlauf nicht mehr hören kann, stelle ich auf Rasensprenger um, bevor wir alle ohne große Probleme weiterschlafen.
Als nächstes werde ich von einem lauten, unverkennbaren Geräusch geweckt. Es folgt ein ziemliches Gekreische. Der Sohn hat also nun entdeckt, dass er Feuchte nicht mag.
Ich taste nach dem Wickelmeister neben mir. Allerdings ist da niemand. Also ist es schon Morgen und er auf der Arbeit. Nach der Windel gibt es dann Futter. Währenddessen bemerkt die Tochter, dass sie auch Bärenhunger hat und ist erstaunlich schnell auf 180. Ich komme aus der Stillposition nicht an sie dran. Hier ist meine Devise aktuell: dem trinkenden Kind noch mindestens drei Minuten zu geben. Oft sind das sehr lange drei Minuten.
Satt und zufrieden (die Kinder) bzw. eigentlich schon hungrig und durstig, aber zu müde zum Aufstehen (ich) schlafen wir alle noch ein Ründchen. Gegen 8.30 Uhr stehe ich dann aber auf. Wenn ich nun zumindest ein Kind halbwegs dösend gewickelt und angezogen auf den Kissenturm bekomme, ist das Tandem-Frühstück deutlich entspannter. Es gelingt mir allerdings nicht allzu oft.
Heute müssen wir uns etwas beeilen. Die Früchtchen werden am Vormittag nämlich zu passageren Einzelkindern. Der Sohn muss in den Hörtest-Recall und wird vom Papa begleitet. Die Tochter erhält exklusive Mama-Zeit zu Hause. Wenn wer zu einer bestimmten Uhrzeit irgendwo sein muss, habe ich immer richtig Stress. Es klappt dann allerdings doch, den Sohn im Maxi-Cosi dösend mit einer dicken Wickeltasche für alle Eventualitäten an der Haustür an meinen Mann abzuliefern.
Die Tochter genießt noch ein zweites Frühstück und ein bisschen Kuschelzeit. Irgendwann wird sie sehr nölig. Ob sie tatsächlich ihren Bruder vermisst?
Während sie nölt, sterilisiere ich einen im Vergleich zum Vormonat deutlich geschrumpften Haufen Babyequipment und esse ein Müsli und noch etwas Sahnepudding hinterher. Hätte mir das jemand vor ein paar Monaten gesagt, ich hätte ihn ausgelacht! Aber wer zwei Kinder stillen will, der muss richtig essen und trinken! Gerade wenn es so warm ist wie heute, ist letzteres auch nicht zu unterschätzen. Fünf Liter sind es bestimmt bei mir in 24 Stunden.
Natürlich findet das Essen mit heulendem Kind auf dem Arm statt. Dafür haben beide einen Spezialsensor.
Irgendwann wird der Bruder wieder abgeliefert. Wir feiern seinen bestandenen Hörtest mit einer weiteren Stillmahlzeit. Wickeln, Bespaßen. Das gestern vom Dhl-Mann gebrachte Spieletrapez ist noch nicht so interessant wie Mamas Arm. Dort ist es aber nur für einen bequem, der andere muss also anders bei Laune gehalten werden. Das gelingt mir dann momentan absolut gar nicht. Irgendwie schaffe ich es aber, die Tochter in den Schlaf zu schockeln, somit darf der Sohn dann auch in den Arm-Genuss.
Wir machen zusammen eine Tiefkühlpizza. An dieser Stelle erinnert sich der aufmerksame Leser, dass es die letzten Monat auch schon einmal gab und könnte somit auf die Idee kommen, ich würde mich nur davon ernähren. Gott sei Dank ist dem aber nicht so. Bis zur Wochenmitte gibt es meistens Reste vom Wochenende.
Mit mittlerweile gelangweiltem Sohn auf dem Arm versuche ich die fertige Pizza zu schneiden. Das funktioniert nicht. Also hat er die Wahl zwischen Hochstuhl, Spieletrapez und Wiege. Ich präferierte ja letzteres, er ersteres. Die zweite Malzeit des Tages in nöliger Begleitung.
Währenddessen wird natürlich auch die Fressraupe wach. Beide Kinder brüllen, während ich versuche, die Pizza in mich rein zu schlingen. Anschließend habe ich Bauchweh, während ich die Kinder zusammen stille. Da sie dann auch Bauchweh/ Langeweile/ Hitze/ was auch immer haben, wird die aktuelle Wunderwaffe der Doppelberuhigung angewandt: ein strammer Spaziergang. Leider ist es ja so furchtbar warm, sodass es für mich nicht sonderlich spaßig ist. Am Vortag hatte ich nach zwei Stunden Marsch und zweimonatiger Sonnenabstinenz einen richtigen Stich.
Also entscheide ich mich für den schattigsten Ort, der mir fußläufig einfällt: den Friedhof. Ein bisschen spooky ist es ja schon. Aber wenigstens ruhig. Dachte ich zumindest. Denn während der Sohn hochkonzentriert die schwarze Wand seiner Kinderwagenwanne anstarrt, ist die Tochter wirklich sehr schlecht gelaunt. Selbst in geliebter Bauchlage findet sie nicht zur Ruhe. Und dann ist er also da – der große, gefürchtete Moment. Auf einer Friedhofsbank. Hätte ich nicht gedacht, dass ich so etwas je tun werde. Aber als Mama tut man scheinbar so einiges, was man nicht von sich gedacht hätte. Zum ersten Mal habe ich also in der Öffentlichkeit gestillt. Glücklicherweise haben wir ein großes Spucktuch als ergänzendes Sonnensegel dabei, was mir ein bisschen Privatsphäre bescherte. Es ist dann auch gar nicht so schlimm. Der Friedhof ist wirklich weitläufig. Auch wenn ich das Gefühl habe, dass ein paar Senioren mehr als nötig naserümpfend vorbeimarschieren. Aber als Zwillingsfamilie ist man nun mal eine Attraktion. Also, es ist trotzdem gar nicht so schlimm. Bis die Ameisen kommen. Hinterher ist im Kinderwagen endlich Doppelschlummern angesagt. Also steuere ich wieder die nächste Bank an und widmete mich meinem Handy. Oft kann ich da ja nicht mehr dran.
 
 
Anschließend verlaufe ich mich noch etwas auf dem Friedhof. Aber diese Geschichte würde jetzt ein bisschen zu lang werden, wenn ich da noch ins Detail gehe. Nach Hause finde ich dann doch noch irgendwie.
Zwei schlafende Kinder bedeutet für mich: sofort essen! Mit geliebter Fassbrause und einer Portion Eis setze ich mich also an den Esstisch. Ohne schreiendes Kind. Was eine Wohltat. Denke ich. Denn es steckt noch nicht mal der erste Löffel im Eis, da meldet sich der Sohn. Zunächst mit dem unverkennbaren Geräusch. Dann wieder mit schrillstem Geschrei, wie auch schon in der Nacht. Schnell friere ich das Eis wieder ein und mache ihm eine Windel. Anschließend stillen wir dann noch einmal. Die Tochter will natürlich auch wieder mitmachen anstatt zu pennen. Dann muss ich nur noch die Zeit rumkriegen, bis Papa kommt. Damit ich mich mal im Bad einschließen kann. Was mache ich also bis dahin? Textunsicher singen, Schnuffeltücher wedeln, erzählen, abwechselnd schockeln. Nach einer guten Stunde, die zwischenzeitlich sehr laut wird, sind sie dann tatsächlich beide eingeschlafen. Auf mir. Irgendwie schaffe ich es sie in die Wiege zu verfrachten. Und genau dann kommt natürlich der Mann. Manchmal befürchte ich, er glaubt mir gar nicht, dass ich am Ende meiner Kräfte bin. Aber die Kinder unterstützen mich da diesmal gut. Werden natürlich wach, sobald wir das Abendbrot auf dem Tisch haben. Obwohl ich nur noch mit Federwiegen-Anschwingleine am Esstisch platznehme. Also wird wieder geschlungen, dann gestillt. Und dann darf ich endlich unter die Dusche. Da höre ich dann nur das Wasser und kein Geschrei. Angenehm. Würden gewisse Körperregionen bloß nicht immer noch so empfindlich auf den Wasserstrahl reagieren könnte ich es allerdings mehr genießen.
Wir bringen die Kinder ins Bett. Der Sohn bekommt vom Mann eine Flasche der Restmuttermilch aus dem Kühlschrank. Ich stille die Tochter. Anschließend sind sie relativ zufrieden in ihren Pucksäcken. Aber sie wollen noch Schnullern. Also habe ich noch ein gutes Stündchen Schnuller-Show vor mir. Das bedeutet, ich halte halb im Gitterbett hängend die Schnuller in den Mündern bzw. stecke sie wieder hinein. Wenn ich wegdöse, werde ich schnell lautstark an meine Aufgabe erinnert. Irgendwann verliere ich die Nerven, weil es einfach zu unbequem ist. Gottseidank ist der Sohn schon im Träumeland und die Tochter kann auch mit ein paar Kuscheleinheiten dazu überredet werden. Ob meine Energie noch zu einem Gute-Nacht-Kuss für meinen Mann reichte, weiß ich gar nicht mehr.

Ps.: Dies war der Donnerstag mit acht Wochen alten Früchtchen.
PPs.: Wie man liest, stillen wir nun. YEAH! Aber so richtig zu Ende gekämpft haben wir nach zwei Monaten immer noch nicht. Ein Erfahrungsbericht wird folgen.

0 Kommentare

  1. Du Liebe, so schön von dir und euch zu lesen.

    Wow! Ganz ehrlich, ich bin ja manchmal schon am Ende meiner Kräfte. Und ich habe "nur" ein Baby. Ich habe echt Null Ahnung, wie du und die anderen Zwillings-Mama's das macht.

    Ich freue mich sehr für euch, dass das mit dem Stillen nun klappt und wünsche euch weiterhin alles Liebe.

  2. Dankeschön!
    Ich bin mir sicher, mein Stresslevel wäre bestimmt nicht niedriger, hätte ich "nur" das eine Baby von Beginn zu versorgen. Ich kenne es nun aber nur so. Trotzdem stelle ich es mir jetzt natürlich absolut entspannt mit einem Einling vor… wir wachsen wohl alle mit unseren Aufgaben. 🙂

  3. Ich flitze vor dem Essen immer noch schnell zur Toilette, das ist fast noch wichtiger 😉
    Du klingst aber schon ziemlich routiniert. Und sind wir ehrlich: jede Mutter wünscht sich gelegentlich auf die einsame Insel.

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