Familie, Tagebuch
Schreibe einen Kommentar

Heute. Theoretisch.

Heute wäre der theoretische Tag der Tage. Heute wäre der errechnete Entbindungstermin. Mit Zwillingen hätte ich ihn zu einer Wahrscheinlichkeit von < 1% überhaupt nur erreicht. Also wäre ich nun ohnehin schon einige Tage oder Wochen Mama. Trotzdem musste ich die letzten Tage immer wieder daran denken, was gewesen wäre wenn…
Wie geht es mir also heute?
Nervlich bin ich strapaziert. Heute haben meine Kinder mir gezeigt, dass sie nun wirklich keine Frühchen mehr sind. Sondern Babys mit starkem Willen und dringenden Bedürfnissen. Der Tag war geprägt von Dauerhunger, Schlaflosigkeit und Geschrei. Ich hätte mehr Hände gebraucht. Eine größere Milchbar. Und taubere Ohren. Somit war keine Zeit für wehmütige Gedanken.
Aber sind die Gedanken überhaupt wehmütig?

Einerseits ja. Was wäre gewesen, wenn wir es bis zur 37. Schwangerschaftswoche geschafft hätten. Wenn mein Sohn nicht unterversorgt gewesen wäre? Wenn wir eine spontane Geburt erleben hätten können? Wenn wir nicht die Erfahrungen auf der Intensivstation hätten machen müssen? Wenn ich nicht den letzten Monat in Babyquarantäne und Babymast verbracht hätte? Wenn ich eine unkomplizierte Schwangerschaft mit nur einem Früchtchen gehabt hätte ohne jegliche Sorgen und sogar aktuell noch kugelrund und in Erwartung wäre?
Für letzteren Gedanken schäme ich mich. Müsste ich mich zwischen einem meiner wunderbaren Früchtchen entscheiden – das könnte ich niemals! Es ist alles so perfekt, wie es ist. Auch wenn es anstrengend ist und war. Auch wenn es nervenaufreibend ist und war. Auch wenn es in allen schönen Ratgebern anders beschrieben wird. Auch wenn sich viele bei der Vorstellung unseren Weg gehen zu müssen, gruseln würden.
Ich habe zwei tolle winzige Kinder, die gut wachsen und für mich gar nicht mehr so klein sind. Ehe ich mich versehe, sind sie riesig und ausgezogen. Wie auch immer ich mir das Mama-Sein ausgemalt habe, es ist anders geworden. Aber nicht schlechter.
Die Worte einer amerikanischen Zwillingsmutter, die eine ziemlich ähnliche Geschichte erlebt hat, hatte ich mal in einem Forum gelesen und sind mir im Kopf geblieben: als Mutter von Frühchen wird man diversen Erfahrungen beraubt – aber man bekommt eine zusätzliche Zeit geschenkt, in dem man sein Kind schon lieben darf!
Klar, auch schon als die Früchtchen noch in meinem Bauch waren habe ich unbeschreiblich starke Gefühle für sie gehabt. Aber das, was ich für sie empfinde, seitdem sie auf der Welt sind, ist noch einmal viel, viel größer.
Heute wäre der errechnete Entbindungstermin. Morgen werden sie sieben Wochen alt. Ich kenne ihre Vorlieben und Charakterzüge. Ich weiß (meistens) was sie verzweifeln lässt und wie ich ihnen helfen kann. Sie gehen mir auf die Nerven. Sie erweichen mein Herz. Sie lassen mich unglaublich stolz und glückselig sein.
Wenn ich die sieben (vier würden auch reichen) Wochen, die uns von der Schwangerschaft „genommen“ wurden, verhindern könnte – würde ich es auf der Stelle tun. Ich hätte einiges dafür in Kauf genommen, gesunde, reife Babys auf die Welt zu bringen.

Wenn ich aber dafür eins meiner Wunder hergeben müsste – niemals! Ich würde ich es zu hundert Prozent genauso haben wollen, wie es war und ist!

 
 

0 Kommentare

  1. Deborah sagt

    toll und ehrlich geschrieben, vielen Dank. Verkneife mir gerade eine Träne, welche ganz vorne bereit steht (aber weinen im Büro würde mich sofort als Neu-Schwangere outen, befürchte ich)!

  2. Huhu Deborah,
    vielen Dank für den lieben Kommentar und alles Gute für dich und wer auch immer da unterwegs ist! Hor-Moni macht es nicht einem nicht leicht, wenn es ums Verheimlichen geht 😉

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert