Still-Geschichten/ Interviews, Stillen
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Stillgeschichten: eine schmerzvolle Komplikations-Odyssee

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Als nächste Still-Geschichte möchte ich euch die Geschichte von F. ans Herz legen. Sie ist zur Abwechslung weder Zwillings- noch Frühchen-Mama und hat aber trotzdem einige Still-Hürden überwinden müssen. F. ist Mitte dreißig und Mama von zwei Töchtern. Schon bei der mittlerweile 4-jährigen älteren Tochter war der Stillstart nach einer anstrengenden Endlosgeburt schwierig. Ihre zweite Tochter wurde diesen Sommer geboren. Nach nur drei Stunden Kreissaalaufenthalt und ohne Medikamente war die kleine Maus, das Sonnenkind, schon da und wusste im Gegensatz zu ihrer Schwester direkt, was an der Brust zu tun war: Sie saugte los als hätte sie nie etwas anderes getan. Trotzdem folgte für F. eine harte, schmerzvolle Zeit. Sie lässt uns netterweise an ihren Erfahrungen teilhaben. 
Ich muss gestehen, selbst ich habe nach meinem eigenen Drama noch einiges dazulernen können. Und musste beim Lesen wieder reflexartig meine Zehen zusammenziehen. Du kannst stolz auf dich sein, dass du trotz aller Schmerzen und Hürden nicht aufgegeben hast. Ich weiß ja leider, wovon ich spreche…
Vielen, vielen Dank, liebe F., für diesen ausführlichen Bericht und die passende Bebilderung! Nun hast du aber das Wort…

Ein Sammelsurium an Stillhelferchen (Fotos: privat)
„Als ich mit meiner ersten Tochter schwanger war, stand für mich sofort fest, dass ich um jeden Preis stillen wollte. Meine Mutter hat meine Brüder und mich nur kurz gestillt, weil es ihr so Schmerzen bereitet hat und die Einstellung zum Stillen in den 80ern sicher noch anders war als heute. Ihre Erzählungen und Erfahrungen machten mir Angst und ich machte mir so meine Gedanken, ob das bei mir alles klappen würde. Ich wollte es unbedingt schaffen, und heute glaube ich, dass ich manchmal fast schon zu verbissen an die ganze Sache gegangen bin.



Meine großen Brüste und relativ flachen Warzen bereiteten mir zusätzliches Kopfzerbrechen und stellten sich später auch wirklich als Hindernis heraus. Beide Töchter hatten zunächst Probleme die Warze voll zu umfassen – allerdings hatte Tochter Nummer zwei den Dreh dann weitaus schneller heraus. Vielleicht hätte ich auch mal das ein oder andere Stillbuch wälzen sollen, aber ich glaube meine Angst hielt mich paradoxerweise davon ab. Ich hoffte auf meine Intuition und die mutmachenden Worte meiner ersten Nachsorgehebamme.
Das Sonnenkind wurde mir direkt nach der Geburt in den Arm gelegt. Während sich Ärztin und Hebamme um meine starken Nachblutungen kümmerten, schaute mich meine Tochter mit ihren unglaublich großen Augen an und gab mir das Gefühl, dass das schon alles gut gehen würde. Als ich endlich versorgt und die Blutung gestillt war, begann sie sofort zu suchen und saugte direkt drauf los. Für mich eine unglaublich schöne Erfahrung, musste mir bei unserer ersten Tochter noch von der Kreißsaalhebamme beim Anlegen geholfen werden. 
Nach unserem Bilderbuch-Stillstart, begann bereits im Krankenhaus unser Stilldrama. Ich war schnell wund, das Saugbedürfnis unserer Tochter schier unendlich. Die Ratschläge der Schwestern sie nur alle anderthalb Stunden trinken zu lassen, erschienen mir wie ein Witz. Das Kind wollte einfach ständig saugen und ich wusste, dass sie für einen guten Milcheinschuss oft trinken musste. Ich ahnte aber auch, dass der Milcheinschuss wahrscheinlich bis zu meiner Entlassung auf sich Warten lassen würde – ich finde Krankenhäuser einfach gruselig und wollte ambulant entbinden. Wegen des hohen Blutverlusts unter der Geburt war das jedoch nicht möglich und so hing ich im Krankenhaus fest. Jeden Abend fand auf der Station ein merkwürdiges Ritual statt, dass ich zunächst boykottieren wollte, schließlich aber persönlich von der Nachtschwester ins Säuglingszimmer bestellt wurde. Jeden Abend Punkt 21:30 Uhr wurden die Neugeborenen der Station gewogen, um zu sehen, wie sich ihr Gewicht entwickelte. Bei Frühgeborenen oder schwachen Trinkern sicherlich eine gute Maßnahme. Bei meiner Tochter machte ich mir jedoch überhaupt keine Gedanken, dass da etwas nicht passen könnte. Ich ahnte aber auch, dass sie ohne Milcheinschuss wohl kaum zunehmen würde. Am Abend vor unserer Entlassung kam was kommen musste: Sie hatte mehr als die magischen zehn Prozent Gewicht verloren (nun ja, sie hatte bei der Geburt knapp 4 Kilo, ich war also entspannt). Die Nachtschwester riet mir zu Premilch, die ich dankend ablehnte. Anschließend zählte ich die Stunden bis zur Entlassung. Ich wollte unsere Stillbeziehung um keinen Preis mit Fläschchen und Schnullern stören. Zu Hause schoß die Milch noch am selben Abend ein und das Kind trank als gäbe es kein Morgen. Ihr Geburtsgewicht hatte sie übrigens im Nu wieder drauf. 
Im Krankenhaus bekam ich von den Schwestern für die wunden Stellen Lanolin – etwas, das mir in diesem Stadium kaum half. (Heute nehme ich es übrigens gern ab und an zur Pflege, wenn wir mal wieder einen Cluster-Abend hinter uns haben.) Das Wund-Drama ging nach meiner Entlassung zu Hause in die nächste Runde. Die Schmerzen im Krankenhaus waren erst der harmlose Auftakt zu der Odyssee, die nun folgte. Die Warzen wurden immer schlimmer und meine Hebamme und ich begaben uns auf Ursachensuche. Ich probierte unendlich viele verschiedene Anlegepositionen aus, lief tagelang oben ohne durch die Bude und schmierte sämtliche verfügbaren Salben auf die wunden Stellen. Nebenbei übte ich mich in Durchhalteparolen, schließlich kannte ich das Spielchen schon von meiner ersten Tochter. Aber nichts half. Der Tiefpunkt war nach zwei Wochen erreicht, als meine Tochter aus blutenden Wunden trank und das Blut nach dem Bäuerchen schicke rote Flecken im weißen Babybody und Spucktuch hinterließ. Das ganze passierte kurz bevor meine Hebamme zum Wochenbettbesuch vorbeikam und ich hätte Tuch und Body am liebsten unsichtbar werden lassen. Ich hatte zwei große klaffende Löcher und ich fragte mich, ob da wohl jemals alles wieder normal aussehen würde. Meine Hebamme war schließlich auch ratlos und litt mit mir mit. Als ich ihr die Stellen nach ein paar Wochen ganz stolz zeigte und mich über die winzigen Fortschritte freute, guckte sie mich an, als hätte ich ihr gerade erzählt ich könne Wasser in Wein verwandeln. Als letzte Option probierte ich nun die von mir so verhassten Stillhütchen aus. Bei meiner ersten Tochter war das Stillen überhaupt nur mit Stillhütchen möglich gewesen, sie nahm schlecht zu und unsere Stillzeit war nach 7 Monaten vorbei. Mir war klar, dass dies nur eine vorübergehende Option sein konnte. Auf der linken Seite war die Wunde bald verheilt und das Stillen klappte schnell auch ohne Hütchen wunderbar. Rechts waren die Probleme aber nach wie vor enorm und ich begann ernsthaft zu googeln, ob man auch nur mit einer Brust stillen könnte (geht wohl übrigens wirklich 😉 ). Ich merkte auch wie ich auf der rechten Seite bald deutlich weniger Milch hatte und das Baby lieber zwei Mal nacheinander links anlegte, um die schlimme Seite zu meiden. Die Schmerzen bei jedem Anlegen waren unvorstellbar. In Gesellschaft biss ich mir auf die Lippe und verkrampfte bis in die Zehenspitzen. War ich allein ließ ich meinem Schmerz freien Lauf und weinte hemmungslos. 

Eine Woche nach der Geburt fühlte ich mich morgens so, als würde ich eine Grippe ausbrüten. Trotzdem wagten wir die 45-minütige Autofahrt zu meinen Eltern und Großeltern. Besonders der Besuch bei meinen Großeltern lag mir am Herzen, schließlich sind die beiden zu alt und zu krank, um uns besuchen zu kommen und ich wollte, dass sie ihr zweites Urenkelkind so schnell wie möglich kennenlernten. Abends ging es mir dann ganz furchtbar. Ich hatte über 39 Fieber und fühlte mich hundeelend. Einen Milchstau oder Knubbel konnte ich aber nicht erkennen und schob die Symptome auf die Erkältung, die die Große schon seit Wochen mit sich rumschleppte und die nun scheinbar bei mir angekommen war. Am nächsten Morgen war das Fieber weg, ich fühlte mich aber nach wie vor hundeelend und hatte auf einmal einen roten Fleck auf der Brust. Meine Hebamme diagnostizierte eine Brustentzündung, schob es auf den Stress der letzten Tage und zwang mich zu Bettruhe mit Retterspitz-Wickeln, Hühnersuppe und all-inclusive Versorgung durch meinen Mann.
Die Symptome waren schnell verschwunden und es ging mir wieder besser. Meine anhaltende Schwäche schob ich auf den Blutverlust unter der Geburt und den nicht zu leugnenden Schlafmangel und begann bald wieder wie gewohnt zu funktionieren. Schließlich musste mein Mann nach zweieinhalb Wochen wieder arbeiten und ich den Alltag mit zwei Kindern allein stemmen. Und ich wollte allen anderen beweisen, dass ich das auch mal eben mit links machte. Leider hätte ich besser auf meine Hebamme gehört, die mir zur Ruhe, Entspannung und Unperfektheit riet. Zwei Wochen nach der Geburt stand der vierte Geburtstag unserer Tochter ins Haus. Ich wollte meiner Tochter, die ja schon so viel zurückstecken und verpacken musste, einen perfekten Geburtstag bereiten. Es kann wie es kommen musste: Zwei Tage vor der Feier war die Brust an einer Stelle wieder feuerrot und ich schaffte es gerade so, die Wohnung zu schmücken. Mein Mann rockte den Einkauf und die Vorbereitungen für die Feier dann ganz allein und ich sprang über meinen Schatten und ließ mir von der Schwiegermutter den Kuchen für die Feier im Kindergarten backen. Den Geburtstag der Großen verbrachte ich auf der Couch und heulte wie ein Schlosshund, als sie nachmittags allein mit Oma und Opa Eis essen ging. Ich fühlte mich nicht nur elend, sondern hatte auch das Gefühl als Mutter für die Große versagt zu haben. Zwei Wochen gingen ins Land, in denen ich mich mehr schlecht als Recht durch den Alltag wurschtelte. Als ein Wochenende mit Hochzeit und Übernachtung anstand, warnte meine Hebamme mich vor der Anstrengung und riet mir es langsam angehen zu lassen. Ich fühlte mich zu dem Zeitpunkt jedoch schon wieder Recht fit und freute mich auf die Hochzeit. Am Tag nach der Hochzeit spazierten wir mit meinen Eltern eine Stunde durch mein Heimatdorf und ich hatte anschließend kalten Schweiß am ganzen Körper und fühlte mich unglaublich schwach. Na ja, dachte ich, du hast ja auch viel durchgemacht und dein Körper muss erstmal wieder zu Kräften kommen. Weit gefehlt. Nur zwei Tage später war die Brust wieder rot, ich hatte wieder Fieber, meine Hebamme war im Urlaub und draußen herrschte schönstes Hochsommerwetter. Ein kurzer Anruf bei der Vertretungshebamme und schnell stand fest, ab zum Arzt und Antibiotikum. Völlig aufgelöst rief ich im Anschluss meine Eltern an, die spontan die Große für zwei Tage zu sich nahmen und mir Zeit zum Erholen gaben. Ende gut, alles gut, könnte man jetzt meinen aber die Geschichte war auch da leider immer noch nicht zu Ende. Die nach wie vor offene Warze an der entzündeten Brust heilte unter dem Antibiotikum nahezu vollständig zu, allerdings blieb ein feiner Riss zurück. Und wäre das alles nicht schon genug gewesen, verkrampften sich meine Brustwarzen nun bei jedem Stillen, taten unglaublich weh und wurden kalkweiß. Die Vertretungshebamme erklärte mir, dass es sich hierbei um eine Durchblutungsstörung und ein Verkrampfen handele, einen sogenannten Vasospasmus, der durch die vielen Entzündungen und Beanspruchungen ausgelöst wurde. Mit Calcium und Magnesium sollte aber auch das wieder in Ordnung kommen (kam es auch aber ich habe bis heute mit den Krämpfen zu kämpfen, wenn wir besonders viel stillen oder ich nicht ausreichend Magensium nehme). 

Als meine Hebamme drei Wochen später aus dem Urlaub und zum Abschlussbesuch kam, fühlte ich mich schon wieder krank, brachte dies aber erneut nicht mit der Brust in Verbindung. Abends schoss meine Temperatur wieder durch die Decke und mein Mann brachte mich auf direktem Weg in die Notaufnahme des Krankenhauses. Erneut Antibiotikum. Dieses Mal die doppelte Dosis. „Haben Sie schon mal über Abstillen nachgedacht? So macht das doch alles keinen Sinn mehr.“ – Als der Arzt dies zu mir sagte, konnte ich kaum glauben, was ich da hörte. Acht Wochen Kampf für nichts? Die ganzen Schmerzen und das ganze Leid sollten umsonst gewesen sein? Niemals, war mein erster impulsiver Gedanke. Im Großen und Ganzen genoß ich die Kuschelzeit mit meiner Tochter (vor allem, wenn wir die linke Seite stillten) und hielt das Stillen zudem für unfassbar praktisch. Auf der Station geriet ich glücklicherweise an eine nette Hebamme, die dem Arzt sagte, dass Abstillen in meinem Stadium noch nicht nötig sei. Gemeinsam versuchten wir mit einer elektrischen Pumpe Milch aus meiner Brust zu bekommen und schafften tatsächlich unglaubliche 40 Milliliter, die das Baby dann vor lauter Verzweiflung sogar aus der Flasche trank. Die Stationshebamme empfahl mir in den kommenden Tagen ausschließlich abzupumpen, um die Brust zu schonen und gab mir noch Garmastan-Salbe mit auf den Weg, die gemeinsam mit dem Antibiotikum tatsächlich die Lösung für die offene Stelle werden sollte. Das Abpumpen tat mir allerdings noch mehr weh als das Stillen meiner Tochter, so dass ich gar nicht traurig darüber war, dass die Apotheke an diesem Freitagabend keine elektrische Milchpumpe mehr für mich hatte. Mit Kühlkompressen und den altbekannten Retterspitz-Wickeln legte ich mich an diesem Abend ins Bett und schrieb todtraurig SMS mit meiner Hebamme hin und her. Ihre klare Ansage: Bloß nicht abstillen! Du schaffst das, halte durch. Auch mein Mann war in dieser Zeit für mich da und stand voll und ganz hinter mir und meiner Entscheidung für das Stillen. In den kommenden Tagen ging es mir zusehends besser und die verhasste rechte Wunde wuchs endlich komplett zu. Noch heute ist die Stelle allerdings empfänglicher für Risse und leidet schnell unter vermehrtem Stillen. 
Inzwischen ist meine Tochter fünf Monate alt, wiegt stolze 7 Kilo und wird nach wie vor ausschließlich gestillt. Wir genießen beide unsere Stillbeziehung sehr und ein Ende ist noch lange nicht in Sicht. Wenn ich anderen Müttern etwas mit auf den Weg geben müsste, dann wäre das: Durchhalten und nicht aufgeben. Es lohnt sich auf jeden Fall dafür zu kämpfen. Und wenn man irgendwann an dem Point of no return ist, so ist das auch kein Beinbruch und man hat dann auf keinen Fall als Mutter versagt. Etwas, dass ich während dieser Odyssee auch lernen musste. An dem Abend als der Arzt mir zum Abstillen riet, fühlte ich mich so, als hätte ich versagt oder etwas falsch gemacht. Völliger Blödsinn und es tut gut, wenn man dann ein paar Leute um sich herum hat, die einem den Kopf waschen. Ein weiterer Rat: Holt euch frühzeitig Unterstützung und kompetente Hilfe in Form einer Hebamme oder Stillberaterin. Gerade beim Thema stillen scheiden sich die Geister und man lässt sich als Erstlingsmutter schnell verunsichern und verrückt machen. Meine Erfahrung war, dass Hebammen unglaublich bemüht sind und auch viele Tricks kennen, eine Stillberaterin aber nochmal einmal mit einem ganz anderen Blickwinkel auf alles schaut. Leider hab ich meine Stillberaterin durch die Sommerferien (in die mein Wochenbett genau fiel) viel zu spät kennen gelernt  – am Ende der vierten Entzündung. Ihre Tipps und ihre Bestätigung, dass nun alles richtig läuft waren allerdings Gold wert. Daneben unverzichtbar sind aber auch eine Familie und Freundinnen, die ein offenes Ohr haben und hinter dem Stillen stehen. Ich weiß – auch wenn das jetzt pathetisch klingt, dass ich es ohne meinen Mann, meine Hebamme und stundenlange Chats mit Freundinnen, nicht durchgestanden hätte. Ach so, und last but not least: Auch wenn es schwer fällt: In den ersten Wochen nach der Geburt alles etwas langsamer angehen lassen und mit dem Hintern auch das ein oder andere Mal im Bett bleiben und die Ansprüche an sich selber runterschrauben.“
Ps.: F. weiß leider immer noch nicht genau, warum es zu den Verletzungen kam. Sie vermutet einfach, dass es bei ihr Veranlagung ist. Sie hat rötliches Haar und eine ganz helle, sehr empfindliche Haut. Wie auch mir schon mehrere Hebammen erzählten, kommt es bei Frauen mit diesem Hauttyp eher zu diesen Problemen, obwohl das Kind 1-A saugt. Kann das noch jemand bestätigen? Oder noch besser, mal widerlegen (Ausnahmen bestätigen die Regel…)?!

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