Gesundheit, Kinderwunsch
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Geschichten vom Kinderkriegen I: meine erste künstliche Befruchtung

Ich habe vor einigen Jahren ein mehrwöchiges Praktikum in einer ganz besonderen gynäkologischen Abteilung absolviert und dort wirklich viel gelernt und gesehen. Einige Geschichten, die ich dort erlebt habe, sind richtig rührend, die ein oder andere aber auch eher ernst.
Die Geschichten spielen in einem nahöstlichen Land, über das man viel in den Medien lesen kann, aber wenn man einmal da ist, doch alles irgendwie ganz anders ist als es in den Nachrichten dargestellt wird. Zumindest am Schauplatz der Geschichte leben und arbeiten Menschen verschiedener Religionen und Kulturen miteinander. Ein großer Teil diese Menschen haben trotz des unterschiedlichen Glaubens gemeinsam, dass sie gegenüber dem Kinderkriegen sehr „konservativ“ eingestellt sind. Die Geburtenrate in dem besagten Krankenhaus lag beispielsweise in Hochzeiten (Sommermonate) bei 500 Geburten im Monat. In Deutschland dokumentieren im Vergleich manche kleineren Geburtskliniken nur 500 Geburten im Jahr!
Demnach gab es für mich wirklich viel zu lernen und zu sehen.
 
Aber zurück zu meinen ersten künstlichen Befruchtungen.
Ich hospitierte einen Tag in der IVF-Abteilung. Man erklärte mir, dass es ein nationales Gesetz gäbe, das jeder krankenversicherten Familie das Recht auf zwei Kinder einräumt. Das heißt, bis diese zwei Kinder geboren sind, stehen den Menschen als Kassenleistung jegliche Reproduktionsmaßnahmen zu Verfügung. Dementsprechend gibt es viele Patientinnen, die reproduktionsmedizinische Hilfe in Anspruch nehmen. Viele Frauen sind sehr jung, deshalb sind die Erfolge ziemlich gut. Allerdings seien die offiziellen Baby-Take-Home-Raten (zumindest damals) etwas schlechter als in Deutschland, weil eben die Problemfälle ohne große Chancen sich sehr vielen Versuchen unterziehen können, ohne wie dann hier finanzielle Probleme zu bekommen und die Leistungen auch nicht streng an das Alter der Frauen gebunden sind.
So hat es mir der verantwortliche Arzt erklärt. Ich habe es jetzt nicht noch einmal recherchiert ob das alles (noch) so stimmt.
An besagtem Morgen standen, wenn ich mich richtig erinnere, zwei Punktionen, eine IUI und ein oder zwei Transfer(s) auf dem Programm.
Wie in Deutschland wurde die Patientin aus einem Aufwachraum, in dem der Mann auch warten durfte, in den kleinen Eingriffsraum gebracht, auf den Stuhl gesetzt und sediert. Der Arzt suchte die Eierstöcke mit dem Ultraschallgerät und übergab dann den Schallkopf an mich. Ich musste also weiterhin dafür sorgen, dass wir die ganzen Follikel nicht aus den Augen verlieren. Er zog sich steril an und punktierte dann unter Sicht, übergab die Kanüle ans Labor und die Patientin wurde wieder aufgeweckt. Es dauerte wohl insgesamt gut zehn Minuten.
Im Labor wurde mir dann noch ein paar Spermien und Eizellen unter dem Mikroskop vorgeführt. Ich weiß noch, dass ich damals echt überrascht war, wie unspektakulär das alles von Statten geht. Irgendwie hatte ich mir das komplizierter und invasiver vorgestellt.
Auch die Transfers waren kurz und knapp. Die Patientinnen konnten anschließend auch noch eine Stunde im Aufwachraum liegen, obwohl sie nicht sediert wurden. Nicht, weil das Liegen medizinisch notwendig sei, sondern weil sich die Frauen damit sicherer fühlen würden, erklärte der Arzt.
Den Rest des Tages verbrachten wir mit Diagnostik. Zum Beispiel erhielt eine unglaublich junge Patientin eine Eileiterdurchlässigkeitsprüfung. Standard der Klinik war damals auf jeden Fall die Röntgen-Kontrastmitteluntersuchung. Hier wird eigentlich Ultraschall und Operation vorgezogen.
Die Eileiter zeigten sich perfekt durchgängig. Das Mädchen hatte aber furchtbare Schmerzen. Der Arzt erklärte mir, dass sie relativ häufig in der körperlichen Untersuchung oder bei solchen Eingriffen feststellen, dass die Patientinnen noch Jungfrauen sind. In diesen Fällen sind manchmal verschwiegene Potenzprobleme des Mannes Ursache des unerfüllten Kinderwunsches. Die Ehen wurden arrangiert und die Familien machen Druck, wenn es nach einem Ehejahr kein Nachwuchs gegeben hat. Aufklärende Gespräche, dass zum Kinderzeugen gewisse Akte von Statten gehen müssen, führten nur in seltenen Fällen zum Ziel.
Weil eben verschiedene Kulturen aufeinander treffen, gäbe es auch immer mal wieder Kuriositäten, wurde mir berichtet.
Es sei schon mehrfach vorgekommen, dass sich frisch verheiratete Paare vorgestellt haben. In der Anamnese stellte sich dann heraus, dass der Mann schon mit seiner ersten oder zweiten Ehefrau Kinder gezeugt hat, und es nun Probleme mit seiner Drittfrau (!) gibt. Auch in dem nah-östlichen Land ist es aber natürlich offiziell untersagt,  mehr als eine Frau zu haben. In der ein oder anderen Religion aber nicht. Deshalb würden Behandlungen dann nur stattfinden, wenn offizielle Scheidungspapiere gegenüber den anderen Ehen vorgelegt werden können. Manchmal würden die Paare von der künstlichen Befruchtung absehen, manche würden die Formalitäten dann aber auch erledigen. Trotzdem ist natürlich davon auszugehen, dass in Polygamie weitergelebt wird.
Ethische Konflikte wirft eine künstliche Befruchtung ja irgendwie schnell auf. Manchmal sind sie kleiner, manchmal wohl etwas größer. Im Grunde ist es eine besondere medizinische Dienstleistung. Damals habe ich sie ein klitzekleines bisschen mit ausgeführt, nun habe ich sie in Anspruch genommen. Ich bin der Medizin absolut dankbar, dass es diese Möglichkeit gibt! Auch wenn ich damals noch nicht damit gerechnet habe, selbst in diese Situation zu geraten.

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