Der Geburtstag meiner Kinder war gleichzeitig der Beginn einer neuen, vorübergehenden Freundschaft. Einer Hassfreundschaft, die ganze 100 Tage anhielt.
Wir lernten uns kennen, da lag ich bewegungseingeschränkt mit Nachwehen im Krankenhausbett. Die Schwester der Wöchnerinnen-Station machte uns bekannt. Ich hatte mehrfach darum gebeten, fast schon gequengelt. Laut meiner Recherche sollte man so früh wie möglich mit dem Pumpen beginnen (2-6 Stunden nach der Geburt). Bei Zwillingen doppelseitig und häufiger, damit direkt von Anfang an klar ist, dass der Bedarf sehr hoch ist. Später – als es schon zu spät war – las ich auch von der Theorie, dass es nur in dieser Phase der Milchbildung möglich sei, noch zusätzliches Brustdrüsengewebe zu bilden. Zu gegebenem Zeitpunkt vertröstete die Schwester mich allerdings zum doppelseitigen Pumpen auf den Folgetag. Ich wäre schon stark genug, wenn ich es frisch operiert einseitig schaffen würde.
Schaffen wäre nun in diesem Zusammenhang etwas übertrieben. Ich konnte mich nicht wirklich hinsetzen. Also brauchte ich Hilfe. Ich ließ mich quasi alle drei Stunden von meinem Mann wie eine Kuh melken. Ein Hoch auf das Familienzimmer. Aber es sammelten sich wirklich ein paar dickflüssige Kolostrum-Tropfen im Becher.
Es tat weh. Die unbequeme Lage, die ungewohnte mechanische Reizung und die Nachwehen, die durch die Stillhormon-Ausschüttung noch schlimmer wurden. Am nächsten Tag waren die Wundschmerzen eher schlimmer als besser, aber der Doppelpump-Betrieb wurde aufgenommen.
An Tag drei nach Geburt, an einem Sonntag, wurde ich entlassen. Am nächsten Tag begann der Krankenhaus-Pendel-Alltag für mich, der Arbeitsalltag für den Mann. Somit lernte ich zu Hause gezwungenermaßen das selbstständige Doppelpumpen. Ich richtete mir im Kinderzimmer eine Pumpecke ein. Der Mann druckte ein Bild der trinkenden Tochter aus und stellte es dazu. Die Bilder auf dem Handy konnte ich nicht anschauen, ich hatte keine Hand dazu frei. Das war alles ganz schön deprimierend und auch ein wenig erniedrigend. Das kinderlose Kinderzimmer. Der nächtliche Handy-Wecker, der eigentlich Babyschreien sein sollte. Aber es zeigte sich von Mal zu Mal ein kleiner Fortschritt. Zwar redeten wir hier von einigen Millilitern, aber das motivierte trotzdem!
So ergab sich eine Pump-Routine. Größtenteils zu Hause, teilweise aber auch bei den Kindern. Es tat mit der Zeit weniger weh. Es lief immer besser. Zwar nie so, dass die Becher überliefen, aber ich erinnere mich noch, dass die zwei Wochen alten Früchtchen fast komplett damit satt wurden und sich sogar ein kleiner Vorrat in unserem Kühlschrank anhäufte.
Als sie dann nach Hause kamen, schaffte ich es weiterhin sieben bis acht Mal in 24 Stunden für 15 Minuten beidseitig zu pumpen. Sie tranken sechs Mal täglich, siehe Akt 1. Bei unserem Vorrat war also nie Knappheit – trotzdem bekamen sie einmal täglich noch eine Portion spezielle Frühgeborenen-Fertignahrung.
Aber so richtig steigerte sich meine Milchmenge auch nicht. Ich experimentierte zusammen mit meiner Hebamme ein bisschen herum. Darüber berichte ich noch im vierten Akt.
Ich habe es nie geschafft, eine Hand für andere „Nebenbeschäftigungen“ frei zu haben. Später, als die Kinder zu Hause waren, habe ich nebenbei You-Tube-Videos geschaut. Vorher hatte ich Sorge, dass wenn meine Gedanken nicht bei den Kindern sind, weniger Milch fließt.
[Anmerkung: für Dauer-Pumperinnen gibt es Flaschenhalter oder Bustiers, in die man die Aufsätze stecken kann.]
Es war ein ziemlich doofes Gefühl, einsam an der Melkstation zu hängen. In Gesellschaft wäre es wahrscheinlich aber noch erniedrigender. Und es war eine ganz schöne Schlabberei. Und ewig mussten Becher und Zubehör sterilisiert werden…
Ich habe das Pumpen gehasst. Ja, ich habe meine Freundin gehasst. Es war aber definitiv eine Hass-Liebe. Denn dank ihr konnte ich meine Kinder von Anfang an mit Muttermilch versorgen. Ohne die Pumpe wäre es undenkbar gewesen. Deshalb bin ich auch wirklich dankbar, dass die Krankenkassen die Kosten für diesen Spaß tragen. Und dass es so einfach möglich war, eine Pumpe zu organisieren.
Denn wie ich oben erwähnte, wurde ich an einem Sonntag entlassen. An einem Donnerstag wurden die Früchtchen geboren. Am Freitagmorgen rollte mich mein Mann als allererstes zu meinen Kindern. Unmittelbar danach rollte er mich zur Pumpenverleih-Vertreterin, die gerade zufällig auf der Wöchnerinnen-Station eine Art Sprechstunde hatte. Glückliche Fügung.
Was ich übrigens wirklich erstaunlich fand, war die Tatsache, dass mir die Existenz einer Milchpumpe vor der Schwangerschaft gar nicht richtig bewusst war. Nun habe ich ja mittlerweile mit vielen stillenden Mamas über meinen holprigen Start geredet und es kam heraus, dass fast alle auch mal zeitweise so ein Ding zu Hause stehen hatten. Ich habe von Fällen mitbekommen, bei denen kein Leihgerät aufzutreiben war und oft herrschte Unklarheit bezüglich der Bürokratie dahinter.
Deshalb fand ich es sehr spannend, mich mit sozusagen dem Papa meiner Freundin, Gerald Kaasen, dem Inhaber von (wenn ich mich nicht irre…) Deutschlands größtem Milchpumpenverleih und Betreiber von babybeat, auszutauschen. Der hat uns nämlich netterweise besucht und sich von mir extra für euch zur Komplettierung des Stilldramas ausquetschen lassen. Er hat mir sogar so viele interessante Sachen erzählt, dass ich damit noch einen ganzen Blogbeitrag füllen könnte…
Knapp 3.000 Pumpen sind durch seine Firma im Umlauf, hauptsächlich in Nordrheinwestfahlen. Der Leihtrend geht steil nach oben – wie ich mir das gedacht habe. Herr Kaasen erklärt sich das durch die steigende Geburtenrate parallel zur Schließung diverser Krankenhäuser. „Das Verhältnis zwischen Personal und Frauen, die Stillstarthilfe benötigen, stimmt nicht mehr. Da werden Schwierigkeiten schnell mit der Pumpe überbrückt, bis eine Hebamme zu Hause helfen kann.“, stellt er fest. Die durchschnittliche Leihdauer beträgt 66 Tage, kürzlich wurde ein Gerät aber auch erst nach zwei Jahren zurückgegeben. Die meisten Krankenkassen übernehmen für sechs Monate (NICHT vier!) die kompletten Leihgebühren, wenn alle vier Wochen ein Rezept mit vermerkter Indikation von Frauenarzt, Kinderarzt oder Hausarzt und (ganz wichtig!) Unterschrift der Patientin vorgelegt wird.
Der Verleih rechnet komplett mit der jeweiligen Krankenkasse ab, man hinterlegt lediglich eine Kaution. Ich hatte nämlich gehört, dass manche Apotheken für die besten Geräte Zuzahlungen verlangen oder einen Eigenanteil verlangen! Apropos Apotheken, dort sind die Pumpen häufig vergriffen, die frischgebackenen Papas müssen in einer Nacht und Nebel-Aktion durch die ganze Stadt düsen, bis sie fündig werden. Oder es dauert gar ein paar Tage und die Milchbildung wird gehemmt, der Milchstau wird schlimmer…
Da kann ich euch wirklich nur babybeat ans Herz legen. Es gibt sogar eine Hotline, die auch am Wochenende besetzt ist. Eigentlich verleihen sie ja nur in und um Nordrheinwestfahlen, in besonderen Ausnahmen aber auch deutschlandweit. „Wir lassen keine stillende Mutter hängen. Wenn ich was mache, mache ich es richtig“, hat mir Herr Kaasen anvertraut. Übrigens werde ich nicht für Verlinkung und „Werbung“ bezahlt, sondern tue das aus Überzeugung und in der Hoffnung, dadurch der ein oder anderen Leserin in einer Still-Notsituation weiterzuhelfen.
Dem Pumpenfachmann ist aktuell noch ein großes Anliegen, auf die Hygiene-Tücken von Milchpumpen aufmerksam zu machen. Die Medela-Symphony zum Beispiel ist für die mehrfache Nutzung und Weitergabe konzipiert, weil sie vernünftig aufbereitet werden kann. Andere kleinere Pumpen, die zum Beispiel von Hebammen in den Notsituationen am Wochenende verliehen werden, können nicht komplett gereinigt werden. Beim Abpumpen für ein reifes Neugeborenes oder älteres Kind ist es total unproblematisch solch ein Gerät zu verwenden. Wenn man allerdings für ein Frühchen oder krankes Baby auf der Intensivstation Milch gewinnen möchte, können zum Beispiel Pilzsporen in dem Gerät schlimmste Folgen haben.
Soviel erstmal zum Hintergrund. Meine Freundin und ich, wir trennten uns wieder. Wie es dazu kam, werde ich im nächsten Akt erläutern…
Akt3: Frühchen Stillen. Zwillinge Stillen. | Akt 4: Komplikationen | Akt 5: Equipment | Epilog
Mehrlinge Abstillen
Rezept für Milchbildungskekse
Erfahrungsberichte anderer stillender (Zwillings-) Mamas
P.s.: Die gebündelten, wichtigsten Erkenntnisse durfte ich auch auf dem Medela-Blog festhalten. Schaut doch mal vorbei! Dort gibt es auch noch viele weitere interessante Artikel zum Stillen, zu Mehrlingen und Frühchen.
Ich hatte immer das Gefühl, dass ich zu wenig Milch habe. Dann haben wir eine Medela Milchpumpe gekauft, um zu sehen, ob das tatsächlich der Fall ist. Bei mir war es ähnlich, wie bei dir, dass sich eben eine Pump-Routine einspielen musste. Dann hat es meistens gereicht. Aber du musstest das Ganze ja noch mit Zwillingen machen, das ist schon eine Leistung. Viele Grüße!